für elektronische Klänge und zwei Musiker an einer Gitarre (2018), 25 Min.
Das „tuning live“ im Stücktitel hat zwei Bedeutungen:
Erstens: Die Gitarre wird vor den Augen und Ohren des Publikums allmählich immer tiefer gestimmt, bis die Schwingungen der Saiten nicht mehr hörbar sind. Dieser irreversible Vorgang bestimmt die Struktur und zugleich den Inhalt der Musik. Alle Entscheidungen sind einmalig.
Zweitens: Die Gitarre wird zum „Leben“ erweckt. Hier kommt es zur Konfrontation mit unterschiedlichen Schöpfungsmythen: Die Bibel erzählt von der Erschaffung der Welt - vom Licht bis hin zum Menschen – innerhalb von sieben Tagen. Im Zhuangzi (einem der beiden daoistischen Klassiker, ca. 476-221 v. Chr.) wird eine andere Geschichte erzählt: Der Ursprung hat kein Gesicht. Eines Tages wollten seine beiden Nachbarn etwas Gutes für den Ursprung tun und beschlossen, dass sie ihm ein Menschengesicht zum Hören, Sehen, Essen und Atmen schenken. Da fingen sie an, jeden Tag eine Öffnung für den Ursprung zu bohren. Am siebten Tag war der Ursprung tot. Anders ausgedrückt: es wurde ein „Mensch“ geboren, der Zustand als Ursprung war beendet.
Man sagt, die nicht mehr hörbar schwingende Gitarrensaite sei „tot“ gestimmt, weil die Frequenz der Schwingung unterhalb der menschlichen Hörgrenze liegt. Aber die Kraft der Schwingung bleibt und könnte, verwandelt in andere Form, von den Menschen gesehen (Bewegung) und gefühlt (Herzschlag/ Rhythmus) werden.
Aufführungen
24.11.2019 | Plantage 13 Bremen | Exercitium | HörenSehen 2019 | Tobias Klich, CHEN Chengwen, Vincent Michalke
05.08.2018 | Vehrings Garten im Hachetal (Syke) | Die Wiederaufnahme der Zeit | GartenKultur-Musikfestival
UA | Tobias Klich, iSaAc Espinoza Hidrobo, CHEN Chengwen